Vom 06. bis 10. August 2025 öffnete das Open Flair Festival in Eschwege zum 41. Mal seine Tore – und die nordhessische Kleinstadt verwandelte sich für fünf Tage in ein pulsierendes Zentrum aus Musik, Kunst, Kultur und Gemeinschaft. Bei bestem Sommerwetter, engagierten Crews und einem offenen, vielfältigen Publikum erlebten zehntausende Besucher*innen ein Programm, das von leisen Indie-Momenten über laute Hardcore-Bretter bis hin zu Comedy, Kunstaktionen und Street-Performances alles bot, was das Flair seit Jahren so besonders macht.
Anreise & Atmosphäre – ein Auftakt mit Hindernissen
Wer bereits Dienstag anreiste, hatte mit schlammigen Wegen zu kämpfen. Doch typisch fürs Flair: die Nachbarschaft half, Landwirte zogen mit Traktoren festgefahrene Autos auf die Wiesen. Ab Mittwoch dann: Sonnenschein, lachende Gesichter, gespannte Vorfreude. Genau diese Mischung aus Improvisation, Zusammenhalt und guter Laune macht den Charakter dieses Festivals aus.
Neben den Konzerten lockte ein Kinder- und Familienbereich mit Spielplatz, Kreativ-Workshops und altersgerechten Programmpunkten, sodass auch die jüngsten Besucherinnen auf ihre Kosten kamen. Hinzu kamen unzählige Walk-Acts.
Ein großes Plus war auch wieder die Security-Crew: humorvoll und locker, mit Wasserbomben oder Schläuchen für Abkühlung, aber auch konsequent und professionell, wenn es darauf ankam. Genau diese Mischung sorgte für eine entspannte, sichere und herzliche Stimmung.
Mittwoch – mit Charme und Haltung
Am Eröffnungstag wurde die kleine Bühne bereits früh von HI!SPENCER bespielt, die mit Witz, neuen Shirts und viel Publikumsnähe überzeugten. ROGERS setzten mit klarer Haltung gegen Rechts Akzente und ließen die Menge bei der Punker-Polonaise durchdrehen. RAUM27 berührten mit melancholisch-schönem Indie-Pop und einem ganz besonderen Moment: einer Verlobung im Publikum.
Später am Abend sorgten die britischen Indie-Veteranen Maxïmo Park für Gitarrenhymnen und Tanzstimmung. Als Headliner lieferten Grossstadtgeflüster mit ihrem Mix aus Elektro-Pop, Ironie und Party-Hymnen („Fickt-Euch-Allee“) ein Finale voller Humor und Ekstase. Und weil ein Open Flair-Tag nie leise enden darf, krönte ein Feuerwerk den ersten Festivalabend.
Donnerstag – Beats, Humor und Power
Den Tag eröffnete Ell auf der Seebühne mit einem erfrischenden Mix aus Indie und elektronischen Einflüssen. Danach sorgten TRiPKiD für groovige Beats mit Haltung, Reis Against The Spülmachine für anarchischen Humor und Future Palace für pure Post-Hardcore-Power. Während auf der Seebühne der Umbau stattfand, sorgten Sändäpause mit Fun-Punk für stimmungsvolle Unterhaltung auf der Wiese gegenüber der Bühne.
Am Abend wurde es noch vielfältiger: Irie Révoltés, die schon lange als Legenden für politischen Reggae, Hip-Hop und Ska gelten, brachten das Publikum zum Tanzen und Nachdenken. Ski Aggu lieferte ein wildes Rap-Set mit Augenzwinkern, das die junge Crowd förmlich explodieren ließ. Als Tagesabschluss wüteten The Butcher Sisters mit einem wuchtigen Crossover aus Rap-Metal, Nu Metal und Hardcore über die Bühne – laut, dreckig, kompromisslos.
Freitag – Hauptgelände öffnet
Am Freitag öffnete das große Gelände am Werdchen – mit der Radio BOB!-Hauptbühne und der atmosphärischen Freibühne.
Von Wegen Lisbeth brachten Indie-Vibes und tanzbare Hooks. MillenniumKid überzeugte mit einer überraschend erwachsenen Mischung aus Indie, Electro und persönlichen Texten. Auf der Hauptbühne begeisterte die Brassband Querbeat mit einer explosiven Mischung aus Funk, Pop und Bläser-Power, während Rantanplan mit Ska-Punk die Fahne des Hamburger Fun-Punk hochhielten.
Danach rockten die Schweden von Royal Republic mit viel Humor und 70s-Charme. Zwischen ihnen und dem Headliner spielten die walisischen Spaß-Punks von Punk Rock Factory auf der Seebühne – eine der größten Überraschungen des Wochenendes. Mit ultraschnellen, punkigen Cover-Versionen von Disney-, Cartoon- und Gaming-Songs („Let It Go“, „Pokémon Theme“) verwandelten sie die Bühne in eine Party für alle Generationen. Der Weg vom Hauptgelände hinüber zur Seebühne hat sich hier mehr als gelohnt.
Zurück auf der Hauptbühne lieferte Yungblud als Headliner ein Spektakel mit Streichern, Feuer und voller Energie – eine Show zwischen Rebellion, Pop-Punk und Gänsehaut.
Samstag – Politische Energie & experimentelle Vielfalt
Der Samstag war heiß und die Wasserschläuche der Security liefen fast ohne Pause. Auf der Bühne begeisterte die Antilopen Gang mit Humor und Haltung. Conny, zusammen mit Rapperin Liser, rappte über Patriarchat, Politik und persönliche Erfahrungen.
Eine besondere Mischung brachte Kochkraft durch KMA: politisch klar, musikalisch aber experimentell, zwischen Indie, Electro und Punk. Paula Carolina überzeugte mit smartem Indie-Pop und Texten, die zwischen Leichtigkeit und kritischer Beobachtung changieren – eine Künstlerin, die mit viel Energie und Charisma die Herzen gewann. Mit ihrem energiegeladenen Alternative-Rock lieferten Nothing But Thieves ein packendes Konzert und zogen das Publikum mit kraftvoller Stimme und intensiver Dynamik in ihren Bann. Im Kleinkunstzelt sorgte Sven Bensmann gemeinsam mit Jan Niermann (Hi!Spencer) für Lachtränen und spontane Disney-Songparodien – „Svenomenal“ trifft es.
Abseits der großen Bühnen fand traditionell die illegale Ravemesse mit Andy Strauß im E-Werk statt, die schließlich im Elektrogarten ihren ekstatischen Höhepunkt erreichte – eine wilde Nacht irgendwo zwischen Poesie, Rave und kollektiver Ekstase.
Sonntag – Ein Finale mit Kraft und Gefühl
Der Sonntag begann ruhig mit dem traditionellen Open-Flair-Gottesdienst auf der Waldbühne, bevor es noch einmal laut wurde: False Lefty überraschten mit minimalistischer, intensiver Rock-Power. Team Scheisse lieferten bitterbösen, pointierten Punk.
Danach zündeten die Blackout Problems ein hochintensives Set. Sänger Mario Radetzky suchte die Nähe zum Publikum, kletterte am Bühnengerüst, sprang ins Publikum – und gemeinsam mit einem Feature von Rou Reynolds (Enter Shikari)wurde der Auftritt zu einem unvergesslichen Highlight.
Direkt im Anschluss übernahmen Enter Shikari die Hauptbühne. Ihre Show war ein Rausch aus Hardcore, Trancecore, Pop-Punk und elektronischen Elementen. Mit Circle Pits, Crowdsurfern und hymnischen Momenten ließen sie die Menge beben – ein absolutes Live-Spektakel, das vielen als inoffizieller Höhepunkt des gesamten Festivals galt.
Für uns endete das Festival an dieser Stelle – doch offiziell ging es weiter: Dilla brachte gefühlvollen Deutschpop, 01099animierte mit Rap-Hits die junge Crowd, Juli sorgten mit Klassikern wie „Perfekte Welle“ für Nostalgie. Und schließlich setzte der internationale Headliner Papa Roach den letzten großen Ausrufezeichen – mit einer kraftvollen Mischung aus Nu Metal, Alternative und neuen Songs, die das Open Flair 2025 würdig abschlossen.
Fazit – Mehr als nur ein Festival
Das Open Flair 2025 war laut, bunt, politisch, herzlich – und dabei immer familienfreundlich, offen und sicher. Es war ein Ort, an dem Kinder auf Hüpfburgen spielten, Walk-Acts für spontane Magie sorgten, Bands aller Genres Bühne und Publikum verbanden, und eine Security-Crew alles tat, damit es allen gut ging.
Ein Festival, das nicht nur durch seine Acts glänzt, sondern durch das, was es im Kern ausmacht: ein Gefühl von Gemeinschaft. Genau deswegen zählt das Flair zu den ganz besonderen Festivals in Deutschland – und die Vorfreude auf 2026 könnte größer kaum sein.
OPEN FLAIR 2026
Vom 5. bis 9. August 2026 kehrt das Open Flair Festival nach Eschwege zurück. Die ersten Acts stehen bereits fest und machen Lust auf mehr: SDP, Bosse, KAFFKIEZ, Dritte Wahl, Emil Bulls, 100 Kilo Herz, Kupfergold, ELFMORGEN, Bluthund, Shoreline und FRAUPAUL sind bereits bestätigt – ein Vorgeschmack auf ein weiteres großartiges Kapitel Festivalgeschichte.