Review: Kraftklub @ Wunderino Arena, Kiel

PSX_20221110_213600
Fotocredits:
Sheena

Wir waren am 10. November 2022 in der Wunderino Arena in Kiel bei der “Kargo”-Tour von Kraftklub. Was für ein Abend, was für eine Nacht? Zum Tourauftakt haben sich die Jungs aus Chemnitz nicht lumpen lassen und aus den Vollen geschöpft.

Den Abend eröffnen Power Plush! – eine Indie-Pop-Band mit 3 starken Front-Frauen und einem Mann am Schlagzeug, ebenfalls aus Chemnitz. Sie beginnen ihr circa 30-minütiges Set mit dem Song “Heavenly”. Dann beziehen sie klar Stellung gegen Sexismus und das Verhalten mancher solcher “Macker” mit den Songs “Friday Night Guy” und “Leave Me Alone”. Das Set schließen sie dann mit dem Song “Nothing Left To Loose”, welcher erst vor Kurzem erschien. Am 10. Februar 2023 wird das Debutalbum von Power Plush “Coping Fantasies” erschienen. Dieses könnt ihr hier bereits vorbestellen.

Im Zwielicht betreten dann Kraftklub die Bühne und starten direkt rein in ihre Show mit “In meinem Kopf”. Das Publikum ist direkt eingehüllt in ihre Magie und auch bei den neuen Songs “Fahr mit mir” und “Wittenberg ist nicht Paris”. Während dieser Songs verhängt noch ein Vorhang den oberen Teil der Bühne und wirkt wie ein Dach über der Band. Doch dann fählt er dramatisch bei “Wittenberg ist nicht Paris” und man erkennt erstmalig, dass die Bühne einfach rundum einsehbar ist und es keinen wirklichen Off-Bereich gibt. Einfach genial gestaltet.

Der nun folgende Song wird verheißungsvoll angekündigt indem die ersten Akkorde mehrfach angedeutet gespielt werden, bis es dann wirklich los geht und die Jungs aus Chemnitz “Eure Mädchen” spielen. Doch bei diesem Song überraschen sie das komplette Publikum noch einmal, denn vor der Textzeile “im Studio sind 44 Grad” erstarrt die komplette Bühne inkl. Band zu einem Standbild und nur das Publikum singt weiter. Und dieser Moment ist kein kurzer, sondern wird gehalten so lange es geht. Weiter geht es mit einem anderen Klassiker – “Mein Leben” – dicht gefolgt von “Unsere Fans”. Diese drei Songs passen einfach perfekt zueinander und es startet der erste Circle Pit des Abends, wobei Felix Kummer darum bittet, dass es alles so friedlich bleibt, dass sich jedes Mädchen und jeder Junge darin wohl fühlt.

Kommen wir wieder zurück zu Moderneren Sachen. Während des ersten Verses von “So Schön” zeigt die Lichttechnik was sie so alles kann und kommt auf die Bühne runter, während Felix mit der ankommenden Crowdsurferin abklatscht. Anschließend wird vom Publikum lautstark gefordert “Ausziehen!”. Irgendwie ist es dieses Jahr nicht das erste Mal, dass ich sowas auf einem Konzert gehört habe. Passenderweise wird dann von Felix auch rein zufällig der Parka ausgezogen und sie beginnen mit “Teil dieser Band”, wobei es zum Ende hin sehr ruhig und emotional wird.

Die Stimmung in der Halle beginnt zu Brennen als dann “Ich will nicht nach Berlin” anfängt und die ganze Hälle springt, bis nach hinten hin auf die Ränge! Anschließend gibt es mal einen kleinen Break und Felix spricht darüber, dass man leider auf manche Songs in einer Setlist verzichten muss. Doch weil sich Kraftklub da nicht entscheiden können, spielen sie stattdessen Glücksrad. Das ist der perfekte Moment um Felix mal darauf aufmerksam zu machen, dass dies eigentlich nur bei dieser einen Show so richtig legal ist, da diese ja in Schleswig-Holstein stattfindet (wo Glücksspiel legal ist) und dazu sogar noch passenderweise in der Wunderino Arena. Naja, lassen wir das Thema. Um es natürlich spannend zu machen holen die Jungs einen Fan auf die Bühne. Bente ist die Glückliche, die trotz eines 3fachen Bänderrisses und geschienten Arm in den vordersten Reihen mit dabei ist. Felix‘ Kommentar dazu ist, dass ihr Arzt ganz bestimmt dieses Konzert als Heilung verschrieben hätte. Auf dem Glücksrad stehen zur Auswahl “ScheißindieDisko”, “Irgendeine Nummer” und eine Raucherpause. Bente hätte am Liebsten “Irgendeine Nummer” und freut sich riesig, als es das dann auch noch wird und sie auch noch ein Selfie auf der Bühne machen darf. Leider hat es dieser Titel nie auf ein Album geschafft und doch kann die gesamte Menge den Text auswendig und geht voll ab. Das waren dann auch schon die ersten 10 Songs – Wow! Die Zeit ging wie im Flug vorbei. Den nun folgenden Song spielen Kraftklub erstmalig live und holen sich dafür Unterstützung von Power Plush, die den weiblichen Part von “Kein Gott, Kein Staat, Nur Du” übernehmen. Es ist schon ein ansatzweise punkiges Feeling wenn die ganze Halle die Headline schreit. Dann gibt es zwischendurch noch mal einen älteren Song. Bei “Wie Ich” nimmt sich Felix ein Handy aus dem Publikum und filmt damit von der Bühne aus weiter. Anschließend kommt dann “Der Zeit bist du egal” und der Vorhang ist am Ende wieder um die Bühne gehüllt. Es herrscht eine gespannte Stimmung was nun kommt und der Song “Angst” startet hinter verschlossenem Vorhang. Dann wird dieser gehisst und man sieht zuerst nur Felix auf der Bühne direkt, bis man bemerkt, dass Karl über ihm auf der Lichtanlage im Spotlight steht. Was für ein krasser Moment und was für eine passende Darstellung. Oben das Spotlight und unten ein bedrohlich rötliches Halbdunkel. Anschließend wird die Bühne wieder verhüllt, doch Felix bleibt vor dem Vorhang und dirigiert das Publikum welches einfach weiter die Refrainzeilen singt. Fließend geht dies dann über in “4. September”. Es folgt eine kleine Rede gegen Rechts, Rassismus, Sexismus und die WM in Katar und auf einmal entern die Leoniden die Bühne. Gemeinsam gehen die beiden Bands voll ab zum Coversong “I love it” (Original von Icona Pop). Rasant geht es dann weiter, nach einer Ansprache darüber, dass Till wohl mal auf seiner eigenen Kraftklub-Aftershow-Party nicht rein kam, mit dem Song “Blau”, bevor dann ruhigere Töne angeschlagen werden. Felix sagt an, dass er sich die Lage im Publikum mal genauer anschauen will und geht dann mitten hinein. Die gesamte Beleuchtung geht aus und im Licht von tausenden Handy-Taschenlampen wird der Song “Kein Liebeslied” zum besten gegeben.

Während der Performance im Publikum ist der Vorhang wieder unten und man sieht wie sich was auf der Bühne dahinter tut. An den Seiten sah man zuvor schon Personen in schwarz gekleidet mit roten Sturmhauben lang laufen – eine gewisse Spannung baut sich auf. Auf einmal startet der krasse Bass von “500K” und die Show wird aus dem Publikum heraus fortgesetzt. Felix crowdsurfed zurück zur Bühne, verliert dabei sein In-Ear-Monitoring-Kästchen und ist dann sehr erstaunt, dass es nicht nur wieder gefunden wird, sondern auch noch funktioniert. Die Aktion wird anschließend damit kommentiert “Das war die Omikron-Impfung für Felix Kummer!”. Vor dem Vorhang auf der Bühne stehen nun weiterhin nur Till und Felix. Als dann der Vorhang bei “Karl-Marx-Stadt” endlich hoch geht sie man die maskierten Gestalten mit Bengalos auf der Bühne und hinter dem ganzen leuchtet ein riesiges K!

So langsam neigt sich der Abend seinem Ende zu. Doch nicht bevor noch der Hit “Schüsse in die Luft” gespielt wurde. Nach einer kurzen Rede über Klimaaktivismus welche damit beendet wird, dass Felix dieser Geschichte mehr Randale zugestehen würde, geht es natürlich mit genau diesem Song weiter: “Randale”. Als sich dann bei der ruhigen Stelle automatisch alle im Publikum hinsetzen, ist die Band schon etwas berührt davon, dass einfach jeder weiss was nun kommt. Felix fordert nochmal das Publikum auf, alles was sie am Boden finden gleich in die Luft zu werfen und dann geht auch schon die Randale ab. Dabei stehen dann die maskierten Gestalten auf der Bühne und Schwenken Fahnen in LGBTQIA*-Farben und Fahnen auf denen Randale drauf steht.

Den offiziellen Abschluss macht dann “Chemie Chemia Ya” und Felix stellt schon in Aussicht, dass sie nach dem Konzert noch in Kiel um die Häuser ziehen werden. Doch so richtig ist es noch nicht vorbei. Mit den Zugaben “Blaues Licht”, “Songs für Liam” und “Ein Song reicht” verabschieden uns Kraftklub und alle schwärmen heraus in die Nacht über Kiel.

Was für ein unvergleichbarer Abend! Dies scheint auch nicht nur mein Gefühl gewesen zu sein. Die Tage, ja Wochen nach diesem Konzert sind Kraftklub einfach immer noch Thema im Klönschnack von Kiel. Auch wer nicht dabei war, hat mehrfach schon berichtet bekommen wie gut das Konzert gewesen ist und das jeder der da war, es immer wieder tun würde.

 

Meine Redakteur-Kollegin Natascha war ebenfalls beim Kraftklub Konzert und sie ist ein echter Fan, daher überlasse ich mit großer Freude ihr die abschließende Worte zu dieser wilden Nacht:

“Kraftklub, Kargo-Tour 2022, Tourauftakt in Kiel. Als Kraftklub-Fan der ersten Stunde war es für mich natürlich keine Frage, dieser Tour beizuwohnen und mit der Band zu feiern, die mich seit 11 Jahren begleitet. Schon als die Band aus Chemnitz mit dem Song “Ein Song reicht” den Release eines heißersehnten neuen Albums und dann auch die Tour angekündigt hatten, stieg die Aufregung und Euphorie, denn das letzte Mal habe ich die Band 2018 auf dem Hurricane gesehen. Nach drei Stunden Autofahrt und etwa 45 Minuten im kalten Wind Kiels in der Warteschlange vor dem Einlass stehend war es am 10.11.22. endlich so weit. Nach dem man sich durch den Einlass gekämpft, die Jacken abgeben und sich ein Bier geholt hat, ging es in die Halle, die zu diesem Zeitpunkt bereits gut gefüllt war. Weitere 15 Minuten warten, bis endlich das Licht und die Musik ausging und Felix Brummer für eine kurze Ansage auf der Bühne stand. Mit der Band Power Plush startete der Tourauftakt. Die Band, die im Verhältnis zu Kraftklub eher seichte Töne (jedoch nicht weniger meinungsstark) anschlägt, versetzte das Publikum bereits in lockere Partystimmung, bis die Band auf der Bühne stand, auf die wir alle gewartet hatten. Direkt mit dem ersten Song, “In meinem Kopf” vom neuen Album, haben Kraftklub die Wunderino Arena auseinandergenommen und dieser Zustand hielt für ganze 2 Stunden. Im Gepäck hatten die Jungs 26 Songs, eine gute Mischung aus altbekannten Titeln, wie “Ich will nicht nach Berlin”, “Schüsse in die Luft” oder “Songs für Liam” aber auch einige Songs von Kargo, wie “Wittenberg ist nicht Berlin”, “Blaues Licht” oder “Kein Gott, kein Staat, nur du” mit Unterstützung durch Power Plush, waren vertreten. Und auch die Klassiker, wie das Glücksrad (“Irgendeine Nummer” hat gewonnen) oder “Randale” haben nicht gefehlt. Für pure Gänsehaut hat die Performance von “Kein Liebeslied” gesorgt. Die Halle war komplett abgedunkelt, die Besucher saßen alle in der Hocke und erzeugten mit den Taschenlampen ihrer Handys eine funkelnde Atmosphäre und die Kraftklub-Jungs mittendrin. Ein magischer Moment. Am liebsten würde ich über jede Sekunde und jeden einzelnen Song schreiben, aber das sprengt sicherlich den Rahmen.
Alles in Allem war dies ein Konzert, ein Abend, der mir so schnell nicht mehr aus dem Kopf geht. Kraftklub war schon immer eine meiner absoluten Lieblingsbands und auch nach einigen Malen, wo ich diese Band live erleben durfte, haben die Jungs aus Sachsen ihren Charme nicht verloren.”