Review: AVATAR – zwischen Königreich und Apokalypse

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„Nach der Apokalypse werden zwei Arten von Lebewesen überleben: Kakerlaken und Metalheads.“

Wir schreiben, Montag, den 11. Februar 2019.
Es ist kurz nach halb acht als ich am „Wizemann“ in Stuttgart eintreffe. Die Parkplatzsuche gestaltet sich einfacher als gedacht. Nur ein maroder, viel zu hoher Bortstein bereitet mir und anderen Fans Sorge um unseren Autos.

Als ich die Türen zum Club passiere, bin ich überrascht – von dem geringen Andrang. Eventuell werden die ja schon drinnen sein. Zum abendlichen Programm gab es keine weiteren Informationen, außer den Headliner. Im hinteren Bereich befindet sich ein Durchgang, vorbei an einem kleinen Separé in dem der Merchandisestand aufgebaut ist. Dieser muss hier erwähnt werden, da es kein gewöhnlicher Klamottenverkauf ist, sondern die Fans bereits in das Zirkus-Feeling bringt. „Avatar“ steht dort in einem von Glühbirnen beleucheteten Schriftzug. Die Verkäufer tragen, rot-weißgestreifte Westen, Hosenträger und Strohhüte. Ein Fan dreht gerade an einem großen Glücksrad auf dem Gewinne versprochen werden.

Aus dem dahinter liegenden Saal, schallt bereits Musik, so dass ich gleich weiter ziehe. Mal abgesehen davon, dass ich die zwanzig Euro die ich dabei habe als Notfalltankreserve zurück halten muss. Mich überrascht der Klang. Ich höre keinen Verstärker, keine Übersteuerung, kein Gekreisch. Dann offenbart sich mir der erste Gast-Act: Auf der Bühne sitzt ein kleiner Mann, mit Akustikgitarre im Arm, einer Mundharmonika am Mund und er singt und spielt wohl ein irisches Lied. Ich bin sehr angetan. Die wenigen bisher eingekehrten Zuschauer haben dazu wohl geteilte Meinungen. Einige wippen mit, doch die meisten unterhalten sich noch heiter.

Als der Mann die Bühne verlässt, scanne ich mit einem kurzen Blick das rießige Zeltplanen-ähnliche Gedeck ab, das wohl über bereits aufgebaute Instrumente spannt. Darüber liegt eine Fahne oder ein Tuch in den irischen Nationalfarben und einem großen Stern. „The Mahones – the Hunger & and the Fight“, steht darauf. Also gehe ich davon aus, dass der Mann zu den Mahones gehört. Kurz danach betreten ein Gitarrist, ein Bassist, ein jüngerer Schlagzeuger und eine deutsche Akkordeonspielerin die Stage und heizen dem Publikum nach allen Regeln des irischen Punks ordentlich ein. Unterbrochen wird diese Stimmungsmache höchstens von ein par Witzen und Anekdoten des Sängers der uns erklärt das Irischer Punk und Heavy Metal gar nicht soweit voneinander entfernt sind: „Man nennt es auch Motorhead.“
Nun begint eine lange Umbau- und Aufbauphase, die mit Radiobeiträgen überbrückt wird. Dabei handelt jede Nachricht vom König, dem Avatar Country und Musikbeiträgen allermöglichen Genres die davon handeln. Teilweise gibt es auch Rubriken wie Werbung und Sport, die auch von Kinderstimmen untermalt werden. Es ist ein supergeiles Element um in Stimmung zu kommen. Der Raum füllt sich dabei langsam, wird allerdings nicht mal annähernd voll werden. Oh ihr armen Nichtwissenden aus Stuttgart, da habt ihr defintiv etwas verpasst.

In dem halbgefüllten Saal schwebt nun eine wabernde, spanungsgeladene Atmosphäre. Das Licht geht aus und eine Ansage, die den Radiokanal unterbricht ertönt. Es folgt eine Anage, dass der König das Gebäude betreten hat.

Die Scheinwerfer gehen an, ein dem Merchandise-Stand ähnelnder Glühschriftzug lässt den Namen der Band hell aufleuchten und blinken. Zu „Glory to our King“ wird König Jonas Jarlsby im Gewand, mit erhobener Hand, auf seinem Thron sitzend nach oben gefahren, so dass er über allen Zuschauern und der Band sitzt. Er hält seine Gitarre und beginnt mimiklos zu spielen. Der Rest der Band betritt die Bühne. Sänger Johannes Eckerström schreitet zu einem aufgebauten Rednerpult. Beim ersten Ton von „A Statue for the King“ wird sein Gesicht auf einmal beleuchtet und alle jubeln los. Bereits bei diesem ersten Song überzeugen Avatar ausnahmslos mit ihrem dramaturgischen und musikalischen Talent.
Zum nächsten Song wird der Thron am vorderen Bühnenrand aufgebaut und der König wird von seinem dunkelgeschminkten Vasallen nach unten zum gemeinen Volk begleitet. Dort wird er von einem einzigen Spot beleuchtet. Wieder stimmt er in das nächste Lied ein.
Die nächsten Minuten sind geprägt von Performing und szenischen Elementen, die vor allem von Frontmann Eckerström ausgeführt werden. Ach seine stimmliche Leistung sollte nicht auf der Strecke bleiben. Abgesehen davon das er spitze Screams hinlegt und tief groahlen kann, klingen seine melodischen Clearvocals wundervoll und passen ideal zum dunklen Sound. Der König scheint sich schnell wieder in seine Rolle des Gitarristen eingefunden zu haben und erhebt sich auch bald von seinem Thron um ebenfalls von Rand zu Rand zu schreiten und mit seiner ewig langen Dreadlockfrisur im Takt zu head bangen. Die Band trägt hier noch dunkle Fracks. Bis zum Ende soll nun eine Goldkette am Frack des Königs auf seine Rolle hinweisen.
Zwischen den Lieder beginnt Eckerström nun das Publikum mit seinen nahe zu perfekten Deutschkentnissen zu belustigen. Die noch etwas geklemmte Stimmung des kleinen, stark gemischten Publikums heitert er so sehr schnell auf. Durch witzige, charmante Aussagen und Anekdoten durchbricht er die szenische Distanz die seine Band durch ihren Auftritt im „Avatar Country“ Stil geschaffen hat, immer wieder. Dies tut dennoch der Story keinen Abbruch, sondern animiert die Leute um einiges mehr sich der Musik voll hin zu geben. Denn nun gibt es kein Halten mehr. Bei Liedern wie „Bloody Angel“, „Let it Burn“ und natürlich „The Eagle has Landed“ gibt es keinerlei Halten mehr. Jeder bewegt sich, jeder Headbangt, jeder bestaunt gebannt die verrückten Tanzschritte und Mimiken der Schweden. Bei der Ansage zum Song „Smells like a freakshow“, appelliert Eckerström an den Freak in uns. Oder eher den Titel des Freaks. Das es immer Leute gibt und geben wird die Menschen wie sie Freaks und das was sie machen Freakshow nennen werden. Aber das sie diese, einfach „kleine Idioten“ nennen. Desweiteren meint er: „Es gibt gute Zeiten und manchmal gibt es scheiß Zeiten. Und dazwischen gibt es die Metalzeiten! Die Zeiten in denen wir das Böse was wir in uns tragen raus lassen und damit Spaß haben können!“

Sein breites Grinsen, welches durch die schwarzgeschminkten Verlängerungen seiner Mundwinkel noch hämischer und grußeliger wirkt, unterstützt die düstere,verrückte Aura die ihn umgibt. Die Momente in denen er bei den Liedern anfägt zu lachen, zu grinsen, seine Augen weit aufzureißen und dann seine Zunge durch das Schütteln seines Kopfes komisch hin und her zu peitschen, werden zu meinen Lieblingsstellen. Das gesamte Konzert grinse ich ebenfalls vor Begeisterung.
Zur Zugabe kommt die Band in weiß-goldenen Fracks auf die Bühne, ergänzt das Bühnenbild um rießige Banner des königlichen Gitarristen und performt nun „Avatar Country“ in völliger Ekstase. Es fliegen Seifenblasen durch den Raum und die Scheinwerfer leuchten bunt.

Vor dem letzten Lied dankt Eckerström nochmal dem gekommenen Publikum für ihre Anwesenheit und macht eine sehr süße, freakige Liebeserklärung. Mit dem Zitat eines schwedischen Journalisten, leitet er zum Ende „Hail the Apocalypse“ ein. Dies sagt aus, dass nach der Apocalypse nur zwei Arten Lebewesen überleben werden: Kakerlaken und Metalheads. Eckerström fügt hinzu: „Und warum werden die Metalheads das überleben? Weil wir es wussten! Und weil wir keine Angst davor haben! Weil wir zusammen stehen und zusammen alles schaffen können!“

Fazit: Ein Kunstwerk hatte ich erwartet. Eine totale abgefreakte Show, musikalisch gut. Meine Erwartungen wurden maßlos übertroffen. Neben prunkvollen Bühnenbildern, szenischen Elementen, der Dramaturgie, den Outfits usw. gibt es noch diese tollen sympathischen Einlagen die die Distanz zwischen Band und Publikum durch brechen und die schwedischen Melodic Death Metaller greifbar machen. So verschwindet zwar stellenweise der Schein des Themas, tat der Stimmung aber gut. Eigentlich war es nur schade, dass nicht mehr Leute da waren um das zu sehen.

Wer auch immer die Chance hat sich die Jungs anzuschauen sollte es sofort tun! Mehr Spaß geht nicht. Und ich hoffe, dass sich mein Nacken bis zum August wieder entspannt, wenn die Melodic Death Metal – Helden den heiligen Acker in Wacken zum Avatar Country erklären werden!

Unser Fazit


Sound
10
Atmosphäre
10
Preis-Leistung
10
Weiterempfehlung
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