Seit über zwei Jahrzehnten steht Thrice für eine seltene Kombination aus musikalischer Experimentierfreude wie auch textlicher Tiefe und kompromissloser Integrität. Mit Horizons/West setzen Dustin Kensrue, Teppei Teranishi, Eddie und Riley Breckenridge ihren Weg fort und liefern das zweite Kapitel eines bewusst als Diptychon angelegten Projekts. Wo Horizons/East den Aufbruch, die Suche und die Neugier thematisierte, richtet West den Blick auf das Ende – den Sonnenuntergang, den Verlust des Lichts, den unvermeidlichen Abschluss eines Zyklus.
Eine logische Fortsetzung – und mehr
Schon die Entstehungsgeschichte macht klar, dass Horizons/West mehr ist als eine Sammlung neuer Songs: Nach der Neuaufnahme von The Artist in the Ambulance (Revisited) gewann die Band frische Energie, experimentierte mit alten Elementen wie Screaming und Doublebass, ohne nostalgisch zu wirken. Das Ergebnis ist ein Album, das die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlägt und dabei eindrucksvoll beweist, dass Thrice nichts an Relevanz verloren haben.
Track für Track – Highlights im Wechselspiel
Der Opener „Blackout“ setzt den Ton: kompromisslos, fordernd, eine Einladung zur Dekonstruktion von Glaubenssätzen. Schon hier zeigen sich die dichten Gitarren- und Bassschichten, die Thrice‘ Sound so unverwechselbar machen.
„Gnash“ und „Albatross“ bringen eine düstere, fast unruhige Atmosphäre ins Spiel, die im spannungsvollen Wechsel zwischen Post-Rock-Flächen und druckvollen Rhythmen lebt.
Mit „Holding On“ erreicht das Album einen ersten Höhepunkt: ein Stück, das Hartnäckigkeit und Widerstandskraft vertont, getragen von Kensrues ausdrucksstarker Stimme, die zwischen Flüstern und Brüllen alles abdeckt.
„Crooked Shadows“ ist politischer, ein Song über Verführung, Macht und den unausweichlichen Fall falscher Helden – scharfkantig und unmissverständlich.
Einen Kontrapunkt setzt „Distant Suns“, das sich kosmischen Themen öffnet und die eigene Endlichkeit im Angesicht des Unendlichen reflektiert. Atmosphärisch und weit, fast sakral in seiner Wirkung.
Der finale Track „Unitive/West“ beschließt das Album mit philosophischer Demut: ein meditativer, fast spiritueller Abschluss, der den Hörer einlädt, Ego loszulassen und Teil eines größeren Ganzen zu werden.
Klangbild und Produktion
Musikalisch zeigt sich Thrice so vielseitig wie selten: Die cineastischen Texturen erinnern an Beggars und Major/Minor, die rhythmische Raffinesse an Horizons/East, während Momente roher Energie an ihre frühen Post-Hardcore-Wurzeln anschließen. Produziert von der Band selbst, mit Mix von Scott Evans und Mastering von Matthew J. Barnhart, klingt das Album gleichzeitig organisch und präzise – jedes Detail hat Platz, ohne steril zu wirken.
Fazit
Horizons/West ist kein „leichter“ Hördurchgang, sondern eine anspruchsvolle Reise, die Aufmerksamkeit und Wiederholungen fordert – und belohnt. Es ist ein Werk voller Gewicht, aber auch voller Schönheit, getragen von der unerschütterlichen kreativen Überzeugung, die Thrice seit den 90ern ausmacht.
Tracklist:
1. Thrice – Blackout
2. Thrice – Gnash
3. Thrice – Albatross
4. Thrice – Undertow
5. Thrice – Holding On
6. Thrice – Dusk
7. Thrice – The Dark Glow
8. Thrice – Crooked Shadows
9. Thrice – Distant Suns
10. Thrice – Vesper Light
11. Thrice – Unitive/Wes
Das Album Thrice – Horizons/West erscheint am Freitag, 03. Oktober 2025