Review: Pogendroblem – Great Resignation

pogendroblem great resignation_LP_fleider_RZ1_1600x1600
8.6
Die richtige Kritik laut geschrien!

Am Freitag, den 10. Oktober 2025, erscheint das neue Pogendroblem Album „Great Resignation“. So wurde auch auch das massenhafte Kündigen von Bullshit-Jobs während der Corona-Pandemie genannt. Man verweigerte seine Arbeitskraft bei widrigen Bedingungen und schlechter Bezahlung. Man wollte einmal kurz die Macht über sein eigenes Leben spüren, bevor man doch wieder in diesem System versank. Ein sehr passender Titel für ein Punk-Album.

Nachdem „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ (2022) bei Audiolith erschien, ging es für die Band wild hin und her zwischen Pop-Festivals, Punkbühnen, Preisverleihungen und Solishows für selbstverwaltete Kulturzentren oder gegen die extreme Rechte. Nun der Nachfolger „Great Resignation“ bei KidnapMusic. Ästhetisch nochmal diversifiziert und dennoch aus einem Guss, entstanden unter Regie von Gregor Hennig im Studio Nord Bremen, gemischt von Daniel Roesberg und gemastert von Christian Bethge. Musikalisch klarer und pointierter als zuvor. Ganz klar (Post-)Punk, poppige Niedlichkeit, Garage Vibes, bisschen Hamburger Schule, bisschen Kraut, etwas düsterere Gitarren und natürlich Brotschneidemaschine durch FX geballert. Die große Traurigkeit zieht sich durch die Platte hindurch, auch in den auf den ersten Blick lustigen Liedern. Denn hier sind sich Pogendroblem treu geblieben, es geht um absurde Alltagsgeschichten, um Subjektivierung, die nicht mehr zu funktionieren scheint. Um Fragmentierung von Gesellschaft, Arbeitsbeziehungen, der Linken.

Das Album startet mit dem gleichnamigen Titeltrack. Auf den ersten Blick scheint es ein Lovesong zu sein, was nebenbei das erste Liebeslieb von Pogendroblem wäre, doch auf den zweiten Blick ist es dann eher ein Song über die Ausgelaugtheit durch die Arbeit, verpackt in ein recht poppiges Punk-Gewand mit dynamischen Gitarren, viel Chorus und engelsgleichem Backing.

Weiter geht es mit „Es kann nicht immer so weiter gehen“. Hier debütiert Schlagzeugerin Benta als Sängerin und somit sind nun 3/4 von Pogendroblem auch Leadsänger*innen. Es ist ein an sich klassischer Coming-of-Age-Song, jedoch halt in ein Punk-Umfeld gepackt und das wiederholen der Titelzeile wirkt fast schon wie ein Mantra.

„Wir treffen uns auf dem Konzert
Am Merchstand kommst du mir immer näher
Auf der Isomatte lass ich dir ein bisschen Platz
Aber es kann nicht immer so gehn, mein Schatz“

Irgendwann wächst man aus einer solchen Situation einfach raus. So verheißungsvoll es auch war, sich nachts am Merchstand treiben zu lassen und mit dem einen oder anderen Kopf auf der Schulter aufzuwachen, irgendwann ist alles erlebt und gesagt. Untermalt von nostalgischen Hamburger-Schule Akkorden tönt es zaghaft unentschlossen: „Es kann doch nicht immer so weitergehen, oder?“ Im Video gibt es dann noch eine kleine Zeitreise in die jüngere Vergangenheit während die Jugend wortwörtlich zu Grabe getragen wird.

Pogendroblem wurden bereits die Stimme der Gen Z des Punk genannt. „Unser Jahrzehnt“ unterstreicht diese Aussage sehr passend.

„Auf geht’s, ab geht’s
unser Jahrzehnt
wir entscheiden wie es ausgeht“

Im Song werden die Krisen des Jahrzehnts aufgezählt und damit einhergehend die Meinung der Jugend, als Gen Z, dazu. Es stimmt, sie sollten entscheiden wie es weiter geht und nicht ein paar alte weiße Männer, welche die Folgen ihrer Entscheidungen nicht mehr mitbekommen werden. Dies wird auch wunderschön durch die Zeile „30 werden, untergehen“ noch einmal verdeutlicht.

Bis hier hin war „Great Resignation“ sehr vollgeladen mit Ernsthaftigkeit und aktuellen Themen. „Kruste“ lockert das Ganze etwas auf. Zwar kann man hier in der Meta-Ebene auch bestimmt etwas über das aktuelle Weltgeschehen oder die Eigenschaften gewisser Generationen rein deuten, doch an sich handelt der Song über Dünnhäutigkeit und dass man sich Wunden wieder aufkratzt. Musikalisch wird dies noch unterstrichen durch wunderbar schranzigen, derben Punk ohne Spielereien.

„Die Sache“ war die zuletzt erschienene Vorab-Single-Auskopplung. Hier geht es um Aktivismus und die Frustration daran.

„Ich tue alles für die Sache – wann du tut die Sache was für mich?“

Diese Frage hat sich bestimmt schon jede politisch aktive Person einmal gestellt. Gerade in der heutigen Zeit, in der große Probleme von Politikern einfach abgetan werden, möchte man manchmal am liebsten Aufhören zu kämpfen. Warum für etwas kämpfen? Für was wollen wir uns engagieren? Wie gehen wir mit Leuten um? Geht’s uns nur darum, immer etwas rauszuholen oder wollen wir einfach Dinge tun, die schön, gut und richtig sind? Viele gute Fragen auf die Pogendroblem scheinbar auch keine Antwort kennen.

Weiter geht es dann mit „Self Checkout“, einem Song über Kleptomanie, welcher aber auch Kritik an der immer teurer werdenden Welt und dem mangelnden Inflationsausgleich äußert, dicht gefolgt von „Praxis ohne Theorie“. Dieser Song bricht die zwei Seiten des Aktivismus auf sein Minimalstes herunter. Zum einen gibt es die „Gelehrten“, welche Marx und Engels gelesen haben und liebend gern jeden in Grund und Boden diskutieren, und dann gibt es die „Anpacker“, welche nichts gelesen haben müssen um die Nazis aus der Stadt zu jagen.

Bei „Chillig Chillig“ erfüllen Pogendroblem erfolgreich den ungeschriebenen Punk-Generationenvertrag und feiern die Freundinnenschaft (so heißt es in ihrer Pressemitteilung). Was zusammen zu machen, mal wieder auszurasten und das Leben zu spüren, unabhängig vom Alter. „Kennt ihr noch Punk, sagt ihr noch chillig?“ Musikalisch schwanken sie hier zwischen Kraut-Rock, Punk und Brotschneidemaschine. Ja, das ist mein Ernst, die Brotschneidemaschine wird nicht nur im Video als Instrument verwendet. Unterstützung gibt es hier durch Luise Funface von The TCHIK, welche, laut der Band, ihr MTV-Jugendzimmer-Idol war.

Da die Songs von „Great Resignation“ alle um die 2 Minuten nur lang sind, fällt es gar nicht auf, dass wir dem Ende des Albums schon in großen Schritten entgegen gehen. „Alles oder Nichts“ gibt einem Retro-Vibes, da es musikalisch sehr an den Funpunk der 80er Jahre erinnert. Diese Beschwingtheit steht im Gegensatz zum Text, denn dieser handelt davon, dass man sich einfach nicht entscheiden kann, obwohl man doch will. Mich persönlich hat an diesem Song dann die Mundharmonika am Ende sehr positiv überrascht. „Starke Schmerzen“ ist dann wieder wesentlich punkiger und härter. Der Text animiert einen direkt mitzusingen und beschreibt Gefühle wie sie ein jeder in seinen Mittzwanzigern wahrscheinlich gespürt hat.

„Mir geht’s nicht gut, 
starke Schmerzen im Herzen. 
Ich löse mich auf…“

(mit 2.30 Min ist dies dann auch der längste Song des Albums)

Mit „Stillstand“ und „Von gar nichts haben wir uns befreit“ endet dann das Album. Beides sind sehr derbe Songs, Letzterer setzt sich noch einmal mit Selbstzweifeln und inneren Kämpfen auseinander und ist damit auch ein guter Abschluss für „Great Resignation“.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Pogendroblem es mit „Great Resignation“ geschafft haben die großen Krisen-Schauplätze unserer Zeit auf das Kleinste in einem selbst runter zu brechen. Es ist nicht nur das Zweifeln einer Generation, sondern auch das Zweifeln in einem selbst. Tut man genug für die Sache? Hat das, was man tut überhaupt einen Sinn und Effekt? Viele Fragen stellen sich und bleiben unbeantwortet, da die Antwort meist in einem selbst ruht.

Dass Pogendroblem als die Stimme der Gen Z des Punk bezeichnet werden, ist für mich eindeutig nachvollziehbar. Sie sprechen die aktuellen Probleme an und nehmen keine Hand vor den Mund. Und genau das ist richtig und auch wichtig!

Unser Fazit


Sound
8
Inhalt
10
Kreativität
8
Artwork
9
Wiederhörwert
8