Selbst denken ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht, aber jeder lernen kann. Dass es einfach zu viele Kriege und Konflikte auf dieser Welt sind, haben inzwischen mehrere Bands gemerkt und sich zum Thema gemacht. Nur behaupten die einen unpolitisch zu sein und wollen nur eines: durch Merchverkäufe auf Kosten der Fans reich werden, während die anderen echte Denkanstöße geben. Mit Letzteren haben wir heute zu tun.
Heaven Shall Burn sind nun mit dem 10. Album am Start und blicken in die tiefen Abgründe der Seele, die sich nicht nur durch kriegerische Auseinandersetzungen auftun. Das letzte Album datiert auf 2020. Seit 2020 ist viel passiert in der Welt, was die Kreativität herausfordert. Wer das Wort „Heimat“ hört, denkt an…Ja, jeder denkt etwas anderes. Und das soll auch so. Heimat ist zu verteidigen? Heimat ist zu finden? Ist es ein positiv besetztes Wort? Oder eher nicht mehr? Denken sollt ihr! Im Idealfall bitte selbst und ständig.
Die Metaler aus Thüringen haben sich aber noch nie damit zufriedengegeben, zu besingen, wie es irgendwo rummst und stirbt. Es geht um innere Konflikte, die Haltung einzelner Menschen und das stetige Infragestellen des Gehorsams. Im Kleinen und im Großen. Das freie Denken kann nur dann zum freien Handeln führen, wenn die Menschen nicht wie Schafe vermeindlichen politischen Führungskräften folgen. Wer zieht Gewinn aus kriegerischen Auseinandersetzungen und all dem Leid? Und was soll das alles?
Ja, es ist manchmal schwere Kost. Aber das ist die Tagesschau ja irgendwie auch. Nur haben Heaven Shall Burn nicht nur das ganze wesentlich besser vertont als das öffentlich rechtliche Fernsehen, sondern denken auch aus mehreren Perspektiven über die Dinge der Welt nach. Und da gab es einiges nicht nur seit 2020, über das sich das tiefere Nachdenken lohnt.
Mit „Heimat“ besinnen sich die Jungs auf die geistigen Wurzeln, die die Basis des eigenen und eigenständigen Denkens bilden. Also Gehirn an und los geht’s:
Mit „Ad Arma“. Einem Intro, was Apocalyptica gleich mal auf seine Plätze verweist. Dann geht es mit „War Is The Father Of All“ episch und gewichtig weiter. Die grutalen Gesangstechniken übernehmen natürlich sofort das Kommando. Es wird gegrowlt. In gekonter Art und Weise, aber ohne die Schwere und Epik des Songs zu killen. Das muss man auch erst mal schaffen. Der Song wird von einem Chor aus ukrainischen Musikern begleitet. Zusammengestellt hat diesen Chor Dirigent Wilhelm Keitel. Und irgendwie ahnt man es: Das Album ist vom Ukrainekrieg stark beeinflusst.
Mit „My Revocation Of Compliance“ geht es ähnlich weiter. Und irgendwie hat man gleich das Gefühl man steht auf einer Wiese in Wacken und denkt so vor sich hin.
Weiter geht es mit „Confounder“. Der Song beginnt etwas unruhig und wackelig. Fängt sich dann wieder, um dann erneut wackelig daherzukommen, als zwischen Gesangstechniken gewechselt wird. Die Übergänge sind da nicht ganz gelungen. Melodisch ist der Song allerdings recht stark.
Super melodisch wird es dann mit „Empowerment“. Der Song ist zweifelsohne eine richtig starke Sache. Die Riffs sind perfekt getimed.
„A Whisper From Above“ ist dann der logische, sehr epische und melodische Anschluss.
Mit „Imminence“ folgt dann ein kleiner, feiner Durchatmer. Mystisch und ruhig wird es plötzlich. Im Auge des Tornados, was diese Scheibe ist, fühlt man sich in einen stillen Wald versetzt.
Es bricht dann los: „Those Left Behind“. Was will man dazu sagen? Headbanger nach vorn! Und bitte vorher keinen Kartoffelsalat essen.
Mit „Ten Days In May“ wird dann der Drummer geschunden, bis die Gitarren übernehmen und eine sehr eindringliche Melodik an den Tag legen. Die Brücke zwischen Beidem bildet dann der Gesang, der sich optimal dazwischen einfügt. Ein sehr gelungener Song.
Es wird anschließend für euch ein Cover gegröhlt: „Numbered Days (feat. Jesse Leach of Killswitch Engage)“. Das Ding ist irgendwie episch und irgendwie beängstigend. Irgendwie passt es und irgendwie greift es stimmlich ineinander, wie ein Puzzle. Großartig! Muss man gehört haben.
„Dora“ beehrt uns anschließend. Der Song kommt aber im Vergleich zum vorherigen Budenzauber eher durchschnittlich daher.
„A Silent Guard“ ist im Leben manchmal gar nicht schlecht. Schlecht ist er hier auch nicht. Ultra melodisch, aber kräftig. Sehr abwechslungsreich und ergreifend. Es geht um die kleinen und großen Helden, die uns alle immer wieder begegnen. Die, die uns in Notfällen helfen, aber auch immer etwas von dem Leid, was ihnen begegnet mit nach Hause nehmen. Weil es eben auch nur Menschen sind. Und Menschen ertragen nicht unendlich viel Leid. Trotzdem opfern sie einen Teil von sich und tun, was sie tun.
Es folgt: „Inter Arma“. Ein gar nicht mal so kurzer Prolog. Er wurde, wie alle Orchesterparts, mit Sven Helbig aufgenommen. Während die Aufnahmen 2020 noch in der Bolschoi Oper in Minsk aufgenommen wurden, mussten die Aufnahmen diesmal kriegsbedingt in eine kleine Pilgerkirche in Thüringen verlegt werden. Das ist schade, klingt aber trotzdem gut.
Fazit:
Das Album hat musikalisch einiges zu bieten. Was fehlt? Richtitsch: Der Titelsong. Es gibt keinen Song namens „Heimat“. Musikalische Wurzeln plus „denk dir deinen Teil, hinterfrage, Frage nach dem Sinn, sei wütend und laut“ ergibt Heimat. Einen Song zu komponieren, der all die Facetten zusammenfasst, die Heimat bedeuten können, ist unmöglich. Folgerichtig fehlt der unmögliche Song. Dafür gibt’s n Hirsch aufm Cover.
Dieses Album ist nicht zum Geld verdienen da. Es ist Kunst und es soll anstoßen. Krieg ist, wenn alte Männer reden und junge Männer sterben. Es kann keine Gewinner geben. Jeder zahlt seinen Preis, nur wie hoch ist der? Was ertragen Menschen und was macht all das mit den Menschen? Warum ist Krieg ein fester Bestanteil der Zivilisation und warum ist Krieg schneller und stärker als Frieden?
Man kann an all diesen Dingen verzweifeln. Oder man hört sich dieses sehr gelungene Album einfach an, weil es gut klingt. Bombastisch, hymnisch, wütend.
8/10
Tracklist:
Ad Arma
War Is The Father Of All
My Revocation Of Compliance
Confounder
Empowerment
A Whisper From Above
Imminence
Those Left Behind
Ten Days In May
Numbered Days (feat. Jesse Leach of Killswitch Engage)
Dora
A Silent Guard
Inter Arma
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