Review: Conjurer – Unself

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Album Cover
9.3
Meisterwerk der modernen extremen Musik

Mit Unself schlagen Conjurer ein neues Kapitel auf – nicht nur musikalisch, sondern auch emotional. Wo ihr Debüt Mire (2018) wie ein brutaler Aufschrei aus den Tiefen des Sludge-Sumpfes klang und Páthos (2022) das Chaos innere Konflikte in epischer Dramaturgie spiegelte, ist Unself ein radikaler Schritt nach innen – und zugleich ein mutiger Blick nach außen. Es ist ihr bisher persönlichstes, vulnerabelstes und zugleich ambitioniertestes Album.

Klangliche Wandlung – ohne die Kanten zu verlieren

Conjurer bleiben der hybriden Essenz ihres Sounds treu: eine wilde Mischung aus Post-Metal, Sludge, Hardcore und Doom. Doch auf Unself erweitert die Band das Spektrum – nicht durch Virtuosität um der Virtuosität willen, sondern durch Emotionalität. Atmosphärische Post-Rock-Weiten kollidieren hier mit brachialen Rifflawinen, zähes Doom-Dröhnen bricht plötzlich in chaotische Blackened-Passagen aus. Die Dynamik ist intensiver denn je: Wo früher Druck war, ist jetzt Tiefgang.

Die Produktion ist roher, organischer – weniger poliert als Páthos, dafür unmittelbarer. Man fühlt den Raum, die Luft zwischen den Noten, das ungeschönte Atmen der Songs.

Ein Konzept der Identität – und der Zerbrechlichkeit

Im Zentrum steht die Geschichte von Sängerin/Gitarristin Dani Nightingale, deren späte Autismusdiagnose und Erkenntnis, nichtbinär zu sein, sich durch die Texte zieht. Unself ist kein Konzeptalbum im klassischen Sinne – aber es wirkt wie ein Tagebuch aus Fragmenten, ein Prozess der Selbstzerlegung, um neu zu werden.

Das Album eröffnet mit „Unself“, einem beklemmenden Intro, das sich langsam aus düsteren Drone- und Noise-Schichten erhebt und eine intensive Spannung aufbaut – als Tor zu einem Werk, das jeden emotionalen Schutzwall niederreißt. Mit „All Apart“ folgt der erste Schlag ins Gesicht: wilde Rhythmuswechsel, dissonante Riffs und verzweifelte Schreie zeichnen ein schonungsloses Bild des inneren Zerfalls. „There Is No Warmth“ taucht anschließend tief in atmosphärische Düsternis ab; der Einfluss von Post-Metal-Größen wie Neurosis oder Amenra ist spürbar, doch Conjurer formen daraus ihren eigenen, unverkennbaren Klang.

Mit „The Searing Glow“ zeigt die Band überraschend melodische Facetten – ein Track, der zugleich reinigend und schmerzhaft wirkt, wie das grelle Licht einer plötzlichen Erkenntnis. „A Plea“ bricht dieses Momentum mit roher Hardcore-Energie auf: kurz, explosiv, kathartisch. Der folgende Song „Let Us Live“ markiert einen musikalischen Höhepunkt des Albums. In über acht Minuten entfalten sich ein majestätischer Aufbau und eine wuchtige Mischung aus Doom-Schwere und emotionalem Tiefgang.

„Hang Them In Your Head“ klingt wie ein Blick in einen rastlosen Geist: chaotisch, zerrissen, voller Selbstzweifel – musikalisch einer der intensivsten Momente auf Unself. „Foreclosure“ nimmt daraufhin das Tempo fast vollständig heraus und versinkt in tragischer Langsamkeit, die an Funeral Doom erinnert. Hier scheinen sich Schmerz und Resignation zu einem bedrückenden Klangpanorama zu verweben. Den Abschluss bildet „This World Is Not My Home“ – ein melancholischer, nachdenklicher Ausklang, der wie eine späte Katharsis wirkt: ein Loslassen, aber kein Vergessen.

Conjurer – Unself wird am 24 October 2025 veröffentlicht

Unser Fazit


Sound
9
Inhalt
10
Kreativität
9
Artwork
9
Wiederhörwert
9.5