Rebellion-Tour 8, Fabrik Coesfeld, 16.03.19

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Christian Kerperin
Festivalstalker

Da ist sie wieder, die Rebellion-Tour. Dieses von Madball initiierte und M.A.D. Tourbooking organisierte Projekt gehörte bis 2016 zum Standarddate in den ersten Monaten des Jahres. Nachdem 2017 und 2018 pausiert wurde, da Madball in der Zwischenzeit unter anderem die aktuelle Langrille „For The Cause“ auf die Schiene gebracht haben, soll es in diesem Jahr wieder fein auf die Fontanelle geben – wunderbar! Die Entscheidung fällt nicht nur aus Gründen der kurzen Anreise für Coesfeld, sondern auch, weil die Fabrik das letzte Date der Tour ist und somit mit einigen Verrücktheiten sowie entspannten Sets gerechnet werden darf. Dies soll sich letztlich bewahrheiten.

Als ich um kurz nach fünf Uhr auf den schlammigen Parkplatz fahre, stellt sich angesichts des eiskalten Winds sowie der sehr überschaubaren Zahl an PKWs die Frage, ob ich überhaupt aussteigen soll. Vor der Fabrik lungern ca. 20 Personen in der winterlichen Frische und warten auf Einlass. Als sich die Türen kurz darauf öffnen, schwinge ich meine rückwärtige Sitzgelegenheit dann doch aus dem Auto. Da der Körper auch schon wieder nach Koffein schreit, soll es dann meinetwegen losgehen.

Die erste Combo, die heute die Ehre hat, den Reigen zu eröffnen, ist Ironed Out aus London. Mir bislang nur durch eine kurze Hörprobe bei YouTube bekannt, bin ich ziemlich schnell recht angetan von der Live-Performance der Briten, die  sich unter anderem aus (Ex-)Mitgliedern von Knuckledust und einigen weiteren Akteuren der UK-Underground-Szene zusammensetzen. Fettes Riffing sowie ein gigantischer Basser Wema mit Megagroove und Spass inne Backen werden mit Shouts von Dave Mkpu sowie tighten Raps von Louis Gino kombiniert und können trotz der frühen Uhrzeit und des spärlichen Publikums mit einem explosiven Gemisch Hardcore-Punk-HipHop-Crossover sehr überzeugen. Die Jungs haben mit „In These Ends“ einen aktuellen Longplayer am Start, der definitiv angecheckt wird. Hier könnte sich etwas Großes entwickeln, coole Sache!

Nach professionell zügiger Umbaupause schicken sich Brick By Brick aus New York an, mit ihrem ultrawütenden Troy-Core den nächsten Stich zu setzen. Für Shoutwürfel Ray Mazzola hat es dabei beim Tourabschlussfrühstück scheinbar einen extragroßen Becher Gift zu den morgendlichen Cornflakes gegeben, so böse growlt und keift er in das noch überschaubare Auditorium. Gitarrist Mike Valente holt dabei mit nur vier(!) Fingern an der linken Hand ganz ansehnliches Zeugs aus seiner Axt raus und es gelingt der Combo, die ersten BeatDowner zu sportlichen Höchstleistungen auf der noch geräumigen Tanzfläche anzuspornen. Als zum Ende auch noch Iron Reagan’s Tony Foresta einige Shoutings beiträgt und der Gig mit Motörheads „Iron Fist“ geschlossen wird, haben Brick By Brick doch ganz amtlich abgeliefert.

Von Old School to New School – anders kann man den Übergang zu Slope kaum bezeichnen. Die Jungs aus Duisburg, alle Anfang Zwanzig, gelten schon länger als Geheimtipp der europäischen Hardcore-Szene und das, da lassen sie gar keinen Zweifel aufkommen, zu Recht. Fühle ich mich zu Beginn des Gigs kurz an die großen 24-7 Spyz erinnert,  bestätigen die Ruhrpötter die entstandenen Erwartungen. Die Kombination aus groovigem Hardcore-Punk-Metal mit enormer Spielfreude und hoher Bühnenaktivität lässt auch hier für die Zukunft noch einiges erwarten. Nicht zuletzt aufgrund des im letzten Jahr ausgedehnten Tourings in Europa sollte man Slope auf dem Zettel haben, hier wird auf der Bühne noch gefeiert.

Das passiert auch bei Death Before Dishonor nicht zu wenig. Als der Boston-Vierer die Bühne entert, ist diese im übertragenen Sinne rappelvoll. Immer wieder interessant zu sehen, was so ein bisschen US-Tough-Guy-Attitude doch ausmachen kann, allein mit Fronter Bryan Harris‘ Charisma ist der Bühnenrand komplett ausgebucht. Darauf ruhen sich die vier Jungs jedoch nicht aus, sondern legen los wie die Feuerwehr. Man merkt ihnen ihre Erfahrung zwar an, dabei sind sie gleichzeitig allerdings so sympathisch, dass es eine wahre Freude ist. Ihr letzter Longplayer „Better Ways To Die“ datiert auf 2009, trotzdem geht die Meute auf dem passabel gefüllten Dancefloor gewaltig auf den alten Stoff ab. Die Jungs setzen einem sehr guten Set die Krone auf, indem sie ein neues Album für 2019 ankündigen und einen Song davon zum Besten geben. Perfekt gelaufen, seliges Grinsen im Gesicht. Zwischenzeitlich nutze ich die Gelegenheit, um mit Madballs Hoya, der kurz am Merch-Stand abhängt, über die aktuelle Scheibe „For The Cause“ zu quatschen und ihm mein Wohlgefallen auszudrücken.

Bei Born From Pain zeigt sich dann, welchen Status die Niederländer in der Szene mittlerweile haben. Auf der Tanzfläche wird es voll, beim Sound wird noch einmal ausgiebig nachjustiert (zur allgemeinen Erleichterung – dazu unten mehr), ein fettes Backdrop mit dem Cover der brandaktuellen Scheibe „True Love“ – der Altar ist bereitet. Born From Pain nutzen den guten Slot, um den anwesenden Damen und Herren Hardcore ohne Kompromisse die komplette Packung Spax in die Stirn zu schrauben. Dabei präsentieren sie einen schönen Mix aus altem und neuem Material, besonders der Titeltrack des neuen Albums geht richtig gut beim Publikum. Rob Franssen (voc) erinnert dabei stellenweise an Terrors Scott Vogel mit einem Kanister Speed im Blut, so intensiv beackert er die Bretter. Nach 45 Minuten kann man die volle Dröhnung auf dem Konto verbuchen und Born From Pain ein dickes Fleißkärtchen ins Poesiealbum kleben.

Jetzt kann endlich auch Tony Foresta von der Kette gelassen werden, der während des gesamten Abends schon auf dem Gelände hin und her rennt. Iron Reagan kommen – und sie kommen wie immer gewaltig. Auch ohne aktuelle Scheibe hauen sie dem Publikum ihre Crossover-Granaten um die Ohren, dass es nur so qualmt. Die gesamte Gitarrenfront geht steil und über Foresta muss man kein Wort mehr verlieren, da für ihn alles Steile sowieso flach ist. Ganz in seinem Element macht er Meter um Meter am Bühnenrand, flirtet mit der Meute und lässt sich sogar seine beachtliche entblößte Wampe kraulen. Love ‘em or hate ‘em – am Ende des Tages sind Iron Reagan bei allem Gezimper einfach eine geile und gleichzeitig professionelle Live-Combo, die ordentlich Spaß macht. Eine kleine Anekdote zum Zusammenhalt der Szene soll hier noch erwähnt werden. Während eines ihrer teilweise wahnwitzig schnellen Beats fliegt Schlagzeuger Ryan Perrishs letzter Stick in unerreichbare Ferne und kein Roadie hat’s gesehen. Perrish knattert tapfer mit einem Stick weiter, tauscht aber verzweifelte Blicke mit Bassist Rob Skotis. Kurzerhand erbarmt sich ein Zuschauer, klettert auf die Bühne und bringt Perrish sein Arbeitsgerät zurück. Fürsorge unter Gleichgesinnten…

Die Halle ist jetzt fertig für Madball. Zu meiner großen Erleichterung setzt sich ein bandeigener Mischer hinter das Pult und das persönliche Schlagzeug von Mike Justian wird aufgebaut. Auch meine Begleitung schaut erleichtert, denn insbesondere ihm ist der maximal ausreichend gemixte Schlagzeugsound der vorherigen Combos deutlich auf den Senkel gegangen. Also kann es nur besser werden. Nach kurzem HipHop-Intro von der aktuellen Scheibe „For The Cause“ nageln Madball als ersten Song „Rev Up“  ins Volk und haben schon gewonnen. Schnell kommt auch „Demonstrating My Style“, jetzt ist der ganze Laden auf Betriebstemperatur. Es dauert nicht lange und die ersten Leute befinden sich auf der Bühne, dabei knallt einer der ersten etwas unsanft in Freddy Cricien hinein, der ihn leicht angesäuert von der Bühne befördert. Ungeachtet dessen gibt sich auch Bryan Harris von Death Before Dishonor die Ehre im Pit und rangelt fleißig vor sich hin. Nach vier Songs ist dann urplötzlich Pause – ein Stagediver hat leider übersehen, dass sich im Umkreis von zwei Quadratmetern niemand befindet, der ihn fangen kann und bremst konsequenterweise aus ca. zwei Metern Fallhöhe mit dem Gesicht. Madball hören sofort auf zu spielen, um die Lage zu checken. Fast fünfzehn Minuten ist nicht ganz klar, wie der Zustand der Person ist, liegt sie doch weiterhin in stabiler Seitenlage auf dem Boden. Kurz nach der Polizei trifft endlich der Rettungswagen ein, zur Erleichterung aller kann der Kollege selbständig zum Wagen laufen, die rechte Gesichtshälfte hat allerdings deutliche Blessuren davongetragen.

Madball können weitermachen und tun dies mit einer Spielfreude, wie ich sie lang nicht mehr bei ihnen erlebt habe. Insbesondere Freddy Cricien scheint richtig Bock zu haben und steht keine Sekunde still. Hoya Roc ist leider häufiger damit beschäftigt, den für den erkrankten neuen Gitarristen Mike Gurnari eingesprungenen Ersatzklampfer böse anzugucken und ihm Zeichen zu geben. Auch das tut der genialen Stimmung jedoch keinen Abbruch, mit ihrer heute passenden Mischung aus aktuellen Songs und alten Klassikern wie „Pride“ oder „Set It Off“ sind Madball Chef im Ring. Als Hoya beim letzten Song seinem Roadie den Bass in die Hand drückt und zusammen mit Freddy und Bryan Harris die letzten Takte schmettert, sind alle selig.

Fazit:

Insgesamt war der Abschlusstermin der Rebellion-Tour ein geiles Event, da alle Bands sehr entspannt waren und es zahlreiche Gelegenheiten gab, kurz mit verschiedenen Musikern zu quatschen. Die Bandkonstellation war gelungen, die unterschiedlichen Stile aller sorgten für kurzweilige Unterhaltung. Einziges Manko war bis zum Auftritt von Madball der teilweise matschig gemischte Sound, was der Mischer insbesondere bei den Drums kaum in den Griff bekam. Abschließend kann ich allerdings nur sagen: Nächstes Jahr bitte gerne wieder!