Hallo Felix, schön dass Du Zeit für das Interview gefunden hast!
Festivalstalker: Wie würdet ihr jemandem, der noch nie von Adam Angst gehört hat, eure Musik in wenigen Sätzen beschreiben?
Felix: Darüber haben wir uns in der Band auch schon oft Gedanken gemacht. Da aber jedes Brainstorming bei uns schnell in den Blödsinn abdriftet, hier unsere Top 3: „Billy Talent für Arme“, „Frau Potz, nur jetzt mit Bausparvertrag“ und unser Favorit: „Ärzte mit Grenzen“.
Festivalstalker: Eure Songs sind oft sehr gesellschaftskritisch. Habt ihr manchmal das Gefühl, euch damit angreifbar zu machen?
Felix: Eigentlich nicht. Die meisten Menschen wissen mittlerweile, wofür wir stehen und die, die etwas falsch verstehen wollen, tun das so oder so. Schwierig ist eher, sich aus der politischen Schublade, die wir uns ohne Zweifel selbst gebaut zu haben, wieder raus zu wagen. Wir haben mit den Jahren natürlich gewisse Erwartungshaltungen geschürt. Doch manchmal willst du auch einfach über Dinge schreiben, die absolut gar nicht mit Politik oder dem aktuellen Weltgeschehen zu tun haben.
Festivalstalker: Ihr habt ja zur Bundestagswahl im Februar diesen Jahres noch passend ein Musikvideo zu „Schmerz“ veröffentlicht. Wie fühlt ihr euch nun damit, dass tatsächlich die besungene Person Kanzler geworden ist?
Felix: Naja, zumindest nicht überrascht 😀 . Der Song wurde allerdings schon vor 3 Jahren geschrieben. Zu dem Zeitpunkt war Merz noch eher der, den wir auch besingen: Der Kettenhund, den man gerne mal vorschiebt, wenn es rechts von der Mitte was zu holen gibt und der sich die Hände schmutzig macht. Kurz vor der Wahl haben wir dann spontan entschieden, den Song nochmal zu releasen. Das hat natürlich keinerlei Einfluss auf ein Wahlergebnis, aber wir wollten wenigstens nochmal in Erinnerung rufen, wer da eigentlich zur Wahl steht.
Festivalstalker: Gibt es Themen, die euch besonders am Herzen liegen und die ihr unbedingt in eurer Musik verarbeiten wollt?
Felix: Nein, nicht direkt. Es kommen uns einfach die Themen in den Sinn, die uns gerade beschäftigen. Wenn es aber etwas gibt, das fast alle unsere Songs gemeinsam haben, dann vielleicht die Frage, warum es Arschlöcher gibt und wie wenig Sinn es macht, eins zu sein.
Festivalstalker: Habt ihr schon neue Musik in den Startlöchern? Bzw. darf man sich schon auf ein neues Album in absehbarer Zeit freuen?
Felix: Wenn mit „absehbarer Zeit“ die Dauer gemeint ist, die wir üblicherweise brauchen, um ein neues Album zu machen, dann Ja!
Festivalstalker: Welche Rolle spielen persönliche Erfahrungen im Vergleich zu rein gesellschaftlichen Beobachtungen in euren Texten?
Felix: In unserem Fall eine sehr wichtige! Die eigenen Erfahrungen sorgen am Ende für das Salz, das unsere Texte definitiv brauchen. Klar kannst du auch nur von außen etwas beobachten, clevere Formulierungen finden und am Ende einen guten Text schreiben. Aber ich glaube, die wirklich treffenden Pointen kriegst du nur hin, wenn du etwas auch selbst erlebt hast, weil – und jetzt wird es kurz mal pathetisch – nur dann Herz und Hirn eine Verbindung eingehen.
Festivalstalker: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Das Lumpenpack bei „Kruppstahl Baby‘‘
Felix: Schuld war nur der Beray Habip. Beray arbeitet sowohl mit uns als auch mit dem Lumpenpack zusammen, als Producer und Live-Mischer. Während unserer „Twist“-Produktion erwähnte er mehrmals, dass das doch ein „Perfect Match“ sei. Wir kannten Das Lumpenpack natürlich schon, aber gerade ich als ausgewiesener Musikbanause brauche teilweise Jahre, um mich mit der Musik von anderen Bands zu beschäftigen. Als ich mich dann durch die Alben gehört habe, habe ich schnell gemerkt, was für ein fantastisches Songwriting die haben und sogar ein Perlen entdeckt, die ich bis heute mindestens 2x im Monat höre. Und das ist viel für meine Verhältnisse! Als „Twist“ dann rauskam, bekam ich eine sehr nette Gratulationsnachricht von Jonas und wir haben sofort gesagt „Lass mal treffen“. Der Rest ist bekannt.
Festivalstalker: Wieviel „Ist das noch Punk?“–kritik habt ihr zu „Twist“ beziehungsweise Songs wie „Die Lösung für deine Probleme „ bekommen?
Felix: Ich habe vor ein einigen Jahren aufgehört, Kritiken und weitestgehend auch Kommentare zu lesen. Das leitet dich nur in Gefilde, aus denen du nur schwer wieder rauskommst. Daher kenne ich die konkreten Wortlaute dazu gar nicht. Was wir aber schon merken, ist, dass unser Publikum auf den Konzerten einfach diverser geworden ist und das finden wir schön. Auf jeden Fall haben sich aber auch einige abgewendet. Das haben wir aber einkalkuliert.
Festivalstalker: Wie geht ihr damit um, wenn Fans sich sehr stark mit euren Texten identifizieren?
Felix: Das ist das größte Kompliment, das du als Band bekommen kannst und bedeutet mir ohne Scheiß viel mehr als Ticket- oder Plattenverkäufe. Wir machen ja keine Musik, damit sie bloß niemand mitbekommt. Es liegt in der Natur des Menschen, andere erreichen zu wollen und eine Bestätigung zurückzubekommen. Wenn ich mir nun vorstelle, dass wirklich irgendwo eine Person gerade joggt, Auto fährt oder auf dem Sofa sitzt, bewusst einen Song mitsingt und sogar ähnlich fühlt wie ich beim Schreiben, ist das alles, was ich zurückbekommen will.
Festivalstalker: Unsere Redakteurin Sheena liebt „Unter meinem Fenster“ über alles. Wie kamt ihr auf die Idee zu dem Song und was die vielleicht etwas versteckte Message dahinter?
Felix: Danke, das freut uns! Ich kann sagen, dass das einer der Songs ist, die zu 100% aus persönlichen Erfahrungen entstanden sind. Ich würde mich zwar nicht direkt als Sozialphobiker bezeichnen, aber bei der Privatsphäre in den eigenen vier Wänden hört der Spaß bei mir echt auf. Als ich aus dem trubeligen Köln etwas weiter raus aufs „Land“ gezogen bin, musste ich dann merken, dass die Leute hier wirklich gar keine Störgefühle in sich tragen. Es vergeht bis heute ernsthaft kein einziger Tag, an dem nicht irgendwer vor der Tür steht und klingelt. Die Beispiele aus dem Songtext sind also alle real. Irgendwann musste ich also anfangen, mich selbst zu schützen und hab einfach nicht aufgemacht, wenn ich gerade keinen Nerv hatte. Da das Grundstück auch leider nicht mit Stacheldraht eingezäunt ist, kann man auf dem Grundstück direkt von draußen durch die Fenster in die Räume im Erdgeschoss gucken. Also Ja, ich gebe zu, dass ich mich schon mal direkt unters Fenster auf den Boden geschmissen habe und mich tot stellen musste.
Festivalstalker: Was unterscheidet ein Adam-Angst-Konzert von der reinen Albumaufnahme?
Felix: Der Mangel an Professionalität und merkwürdige Verrenkungen.
Festivalstalker: Wie kamt Ihr auf die Idee, die Tour „Gibt noch Karten an der Abendkasse!“zu benennen?
Felix: Die kommende Tour ist ja eine sogenannte „B-Tour“. Das ist schon ein etwas herablassender Begriff aus der Branche. Das bedeutet aber nur, dass die etwas kleineren Städte bereist werden, die man bei der ersten Tour zu einem neuen Album bisher ausgelassen hat – und eben nicht Berlin, Hamburg, Köln oder München heißen. Da die Einzugsgebiete für solche Städte auch meist kleiner sind, muss man also logischerweise damit rechnen, dass der Vorverkauf ein härteres Stück Arbeit wird. Die Livebranche struggled sowieso immer noch stark und wir sehen es ja bei sehr vielen anderen Bands, von denen wir es gar nicht erwartet hätten, dass auch diese um jedes Ticket kämpfen müssen. „Gibt noch Karten an der Abendkasse“ ist also das neue Normal. Wir wollen nicht spöttisch damit umgehen, sondern nur zeigen, dass es uns genauso trifft. Und so ist es auch eingetroffen. Wir müssen zum Glück kein Konzert absagen und sind auch absolut zufrieden mit dem Vorverkauf, aber es ist einfach kein Vergleich mehr zu der Zeit vor 6 Jahren.
Festivalstalker: Gibt es Bands oder Künstler, die euch aktuell besonders inspirieren?
Felix: Ich entdecke gerade – natürlich mit ein paar Jahren Verzögerung – die letzten beiden Alben von Turnstile! Ich habe keine Ahnung, ob ich daraus irgendwas für meine eigene musikalische Kreativität ziehen kann. Aber das sollte ich vielleicht besser auch gar nicht, weil deren Musik für mich so ungreifbar und so frei von jeglichem Kalkül ist. Irgendwie einfach und doch einzigartig. Ich mag Musik, deren Entstehung einfach niemand auf der Welt erklären kann – auch nicht die Producer oder die Band selbst.